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Neuerscheinungen 2012

Stand: 2020-01-07
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Karin Gündisch, Anselm Roth, Maria Schneider (Beteiligte)

Weit, hinter den Wäldern


Mitarbeit: Roth, Anselm; Schneider, Maria
2. Aufl. 2012. 135 S. zahlr. schw.-w. Abb. 21.5 cm
Verlag/Jahr: SCHILLER VERLAG 2012
ISBN: 3-941271-35-0 (3941271350)
Neue ISBN: 978-3-941271-35-7 (9783941271357)

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Weit hinter den Wäldern, hinter Flüssen, Bergen und vielen Grenzen liegt der Ort, von dem ich erzählen will. In Gedanken kehre ich immer wieder dahin zurück, so als ob ich nach Hause ginge.

Dieser Ort liegt in Siebenbürgen, in Rumänien.

In mittelalterlichen lateinischen Urkunden wird Siebenbürgen Transsilvania, Land jenseits des Waldes, genannt. Hier leben Rumänen, Ungarn und Deutsche nebeneinander, heute immer mehr auch miteinander. Die ersten Deutschen sind vor etwa achthundert Jahren als Kolonisten nach Siebenbürgen gekommen. Sie haben Wälder gerodet, Felder angelegt, Dörfer und Städte gegründet. In ihren Siedlungsgebieten waren sie in der Mehrheit. Sonst aber waren sie eine Minderheit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen sie auszuwandern. Eine Bewegung in umgekehrter Richtung also. In dem Ort, von dem ich erzählen will, lebte früher ein Junge, den ich Peter nennen werde. Er und seine Familie stehen im Mittelpunkt meiner Geschichte.

Peters Mutter starb früh. Sein Vater wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Aufbauarbeit in die Sowjetunion deportiert. Peter und seine Geschwister Doris und Hanzi lebten mit den Großeltern auf einem Bauernhof. Es war das Jahr 1949, ein langes Jahr, in dem die Kinder auf die Rückkehr ihres Vaters warteten.

Ich erzähle eine Geschichte von Menschen, die alle an einem Ort gelebt haben. Die Alten sind mittlerweile gestorben. Die Jüngeren leben zum Teil noch in dem Ort. Viele aber sind ausgewandert. Eines Tages werden sie in alle Himmelsrichtungen zerstreut sein.

Ich danke all jenen wunderbaren Erzählern, die mir geholfen haben, dieses Buch zu schreiben.

im Frühling 2010 Karin Gündisch
"Peter kam oft zur Virak in den Stall. Immer wenn er Kummer hatte, ging er in den Stall. Er legte sich in die Futterkrippe. Die Virak sah ihn mit einem langen sanften Blick an und leckte ihm mit ihrer großen rauen Zunge die Füße. Das Lecken war wie ein Streicheln. Dauert es noch lang? wollte Peter wissen. Es dauert noch ein wenig, entgegnete der Großvater. Peter setzte sich in die Futterkrippe. Erzähl mir was, Großvater, sagte er. Wie war es, als man uns die Schweine genommen hat und als uns nur die Virak geblieben ist? Der Großvater erzählte: Deine Großmutter war allein zu Hause, als man ans Haustor klopfte. Das Elend kam immer so: Erst hörte man Gerüchte über das, was geschehen würde, dann klopfte es ans Haustor, das wir damals immer verschlossen hielten. Deine Großmutter öffnete das Tor, und fünf rumänische Bauern aus der Nachbargemeinde traten in den Hof. Sie waren mit Mistgabeln bewaffnet. Sie gingen auf den Stall zu. Deine Großmutter stellte sich vor die Stalltür. Einer von den Männern sagte: Seien Sie vernünftig, Frau Wagner, wir sind fünf starke Männer und Sie sind eine alte Frau. Sie schoben die Großmutter beiseite und trieben alle unsere Schweine auf die Straße. Auch das Schwein, das wir für alle Fälle in der Scheune versteckt hielten.
Als ich am Abend nach Hause kam, saß deine Großmutter auf der Treppe vor dem Haus. Ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll, sagte sie. Sie musste mir aber nichts sagen. Ich wusste, was passiert war. Den anderen Landwirten war es genauso ergangen. Erst das Gerücht, dann die Schläge ans Tor, und dann kam das Elend. So war das.
Während mir deine Großmutter erzählte, wie alles geschehen war, hörten wir vor dem Tor ein langgezogenes Muhen. Wir hatten vergessen, das Tor für die Virak zu öffnen. Die Virak kam von der Weide...."