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Neuerscheinungen 2012

Stand: 2020-01-07
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Ernst Brauner

Oh, Böhmerwald


Eine Familiensaga in dreimal zwölf Gesängen
2012. 230 S.
Verlag/Jahr: WIESER 2012
ISBN: 3-9902903-4-7 (3990290347)
Neue ISBN: 978-3-9902903-4-7 (9783990290347)

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Bauer oder Zeitungsschmierer? Gewalttäter oder Spintisierer? Asket oder Blutschänder? Träumer oder Traum?

Ein junger Bursche flieht vom Land in die Stadt. Führt ein dunkles Leben und wird eines Tages heimgerufen, um vor dem bevorstehenden Tod des Vaters den elterlichen Hof zu übernehmen. Er aber tut´s nicht, um ein Erbe anzutreten, sondern um mit seiner Familie abzurechnen. Dabei geschieht viel Brutales und Wahnwitziges, auch in die (autobiografische?) Vergangenheit der Hauptpersonen taucht die Erzählung ein und führt uns bis zu den Gräueln der KZs.

Hinter alldem liegt eine zweite Welt. Und um diese zweite Welt hinter den schrecklichen, oft mehrdeutigen Dingen und Ereignissen der sogenannten realen Abläufe geht es. Um ein geheimnisvolles Walten, für das es immer auch "reale" Erklärungen gäbe, die man auch mit einem anderen Wort benennen könnte, allerdings kaum ohne Befremden zu ernten, wenn nicht gar Gelächter. Magie? Denn schon ein Tropfen Skepsis zerstört einen ganzen Ozean von Magie.

Und immer wieder wird klar: Der Böhmerwald - wie in ihm die Helden dieses Buches leben - ist nicht einfach eine ländliche Gegend, ein durch geografische Längen- und Breitengrade codierbares Stück Gewebe. Es gibt Metastasen - bis Linz, bis Wien, bis Sulawesi, der paradiesischen Insel im malaiischen Archipel. Ein Th eatrum mundi also ist der Böhmerwald, wie in einem Brennglas zu sehen - ein Zerrspiegel und ein Schrumpfbild. Aber so sehr Zerrspiegel, so sehr Schrumpfbild auch wieder nicht: Überall auf der Welt ist das Leben so dicht; und wie in der Geschichte dieser Familie voll von Krassheiten. Nur versteckt, nur zu verstecken versucht werden diese Krassheiten und sind doch die wahre Realität.

Manche Teile der Erzählung muten an wie Mythologie. Aber die alten Mythen enthüllen sich als unsere eigenen unappetitlichen Geschichten, nur in historischen Kostümen. Böhmerwald oder Sulawesi im malaiischen Archipel - das ist immer dieselbe Hölle. Nur Naive vermuten im einen das Gold und im anderen das Paradies!

Auch hier also Magie? Immer wenn es in dieser Geschichte (scheinbare) Ungereimtheiten gibt, hätte dieses Wort alles auf einen Nenner bringen können. Dieses Wort, das aus den Nebeln des Böhmerwalds kommt, aus seinen Zweigen und Quellen. Und so bleibt off en, was der Hauptheld dieser Geschichte ist: Bauer oder Zeitungsschmierer? Gewalttäter oder Spintisierer? Asket oder Blutschänder? Träumer oder Traum? Es ist ja doch alles ein und dasselbe.
Jom Kippur ist ein jüdisches Fest. Nun gibt es im Böhmerwald keine Juden oder so gut wie keine. Das Land war zu arm für sie oder zu fest in der Hand der Mönche von Schlägl. Wie auch immer, hier gab´s keine Juden, höchstens hat sich der eine oder andere hierher verirrt, aber ist dann eher unbemerkt, "unenttarnt" geblieben. Daher gab es hier auch keinen Holocaust (Antisemitismus natürlich schon, aber dazu braucht man ja keine Juden!), und konsequenterweise feiert im Mühlviertel niemand Jom Kippur, zumindest nicht unter diesem Namen, und Versöhnung gibt´s nördlich des Saurüssels überhaupt nur selten. Aber der achtzigste Geburtstag der alten Zehethoferin, das sollte so eine seltene Gelegenheit sein: ein großes, würdiges Versöhnungsfest der ganzen Familie - zumindest nach außen hin.
Ernst Brauner, geb. 1928 in Wien; Studium der Philosophie, Germanistik, Theaterwissenschaften; als Chefredakteur und Verlagsleiter in der Medienbranche tätig. Zuletzt bei Wieser: Struldbrugs. Eine Chronik aus den ersten Jahrzehnten des dritten Jahrtausends (2008), Die wundersame Päpstin. Ein Schelmenroman (2009). Jenseits von Sodom (2010), Die Mühlfelds (2011).