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Neuerscheinungen 2013

Stand: 2020-01-07
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Matthias Wegner

Hanseaten


Von stolzen Bürgern und schönen Legenden
2. Aufl. 2013. 461 S. m. zahlr. Abb. 21,5 cm
Verlag/Jahr: PANTHEON 2013
ISBN: 3-570-55071-0 (3570550710)
Neue ISBN: 978-3-570-55071-7 (9783570550717)

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Matthias Wegner, Publizist und gebürtiger Hamburger, erzählt von hanseatischen Menschen, ihren Schicksalen und Traditionen von den Anfängen der Hanse bis in unsere Zeit. Dabei spannt er einen weiten Bogen von Bremen über Hamburg nach Lübeck und entfaltet zugleich eine fast tausendjährige Geschichte von großen Leistungen und herben Schicksalen, von Ruhm und Ehre, aber auch von Schmach und kläglichen Niederlagen.
Der Norden war immer oben. Wann immer der Geographie-Lehrer in unserem Münchner Klassenzimmer die brüchige, leinene Deutschlandkarte an einem bedenklich schwankenden, fast an die Decke reichenden Holzständer befestigte, sie entrollte, um dann mit seinem langen, hölzernen Stab vor unseren gelangweilten Augen darauf herumzufahren, störte ich mich daran. Schließlich lag unser München mehr als fünfhundert Meter höher als die Nord- und Ostseeküste, und überdies fühlten "wir da oben" uns "denen da unten" unendlich überlegen. Dort oben - dort unten - zu leben, mußte der sibirischen Verbannung gleichkommen. Als eine von mir sehr verehrte Mitschülerin eines Tages heulend berichtete, daß ihr Vater nach Hamburg versetzt werde, sie also im nächsten Schuljahr dorthin übersiedeln müsse, bemitleideten wir sie sehr.
Freilich, auf mich traf dieser für uns alle ganz und gar selbstverständliche München-Patriotismus nur mit einer Einschränkung zu, denn ich war im September 1937 am Hamburger "Leinpfad" als Sohn eines hamburgischen Vaters geboren worden. Im Alter von zwei Jahren, bei Ausbruch des Krieges, hatte es mich mit Mutter und Schwester an den Rand von München verschlagen, wo ich die nächsten zwanzig Jahre bleiben sollte. Mein Vater mußte zum zweiten Mal in einen Krieg ziehen. Danach hatte er als eingefleischter "Hanseat", dessen Familienbande sich über Hamburg, Bremen und Lübeck verzweigten, sein Leben in Hamburg wieder aufgenommen.
Wann immer er uns nun besuchte und vom Norden erzählte, vermochte mich nichts daran zu fesseln: weder das flache Nord- und Ostsee-Land, dessen Weite er den Hügeln und Bergen unserer Umgebung vorzog, noch gar die befremdlich nüchternen Weihnachtsbräuche (er ließ nur weiße Kerzen und Silberlametta gelten - für uns mußte ein Weihnachtsbaum rote Kerzen, Lebkuchen, Rauschgoldengel und Goldlametta tragen, ganz zu schweigen von dem malerischen Klimbim vom Münchner Christkindlmarkt). Wir zerrten ihn durch Dorfkirchen und Klöster von der Wies bis nach Berchtesgaden, durch die Märchenschlösser des Bayernkönigs Ludwig II., zeigten ihm am Ostufer des Starnberger Sees ehrfürchtig dessen Sterbestelle, führten ihm stolzgeschwellt unsere Skikünste vor, verblüfften ihn mit bayrischen Gutturallauten und wanderten mit ihm auf Bergspitzen, das Land der Bayern mit glühender Seele suchend.
München mauserte sich allmählich zur "heimlichen Hauptstadt" der alten Bundesrepublik. Anders als in anderen Städten hatte man die Verschandelung seines alten Stadtbildes durch Neubauten in Grenzen halten können. Gewiß: die politischen Verhältnisse in München und Bayern waren - es entging uns nicht, aber es störte uns auch nicht - konservativ, restaurativ, zuweilen auch aggressiv gegenüber allem Fremden. Der Fortschritt schien anderswo, nördlich von München, zu Hause. München war auch damals längst wieder die Stadt der brachialen, nicht unter strenger Kühle verborgenen Widersprüche, zwischen Heidnischem und Christlichem, Sinnenlust und Arbeitswut, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Strömungen und "Zuagroaster", eine außerordentlich lebendige Mixtur aus Bodenständigkeit, hemdsärmeliger Opposition und den neuen Einflüssen der ausländischen Besucher, allen voran die von uns bewunderten Amerikaner.
Nach dem Ende der Hitler-Jahre, deren politische Bedrückung wir dank der vorsichtigen, aber eindeutigen Anti-Haltung unserer Mutter zu verdrängen rasch gelernt hatten, war München bald wieder eine aufregende Drehscheibe der Kultur geworden: hier lebten viele Schriftsteller, blühte sowohl das klassische wie das neue, vornehmlich aus Frankreich und den angelsächsischen Ländern importierte Theater, hier gab es eine reichhaltige Musik- und Malerei-Kultur, hier gab es eine "Süddeutsche Zeitung", die dank ihres Chefredakteurs Werner Friedmann regionale und lokale Interessen, geistiges Weltniveau und Toleranz auf eine bis heute nicht übertroffene, ebenso amüsante wie seriöse Weise z