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Neuerscheinungen 2014

Stand: 2020-02-01
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Ute Holl

Der Moses-Komplex


Politik der Töne, Politik der Bilder
2014. 368 S. 42 farb. Abb., 15 sw. Abb. 225 mm
Verlag/Jahr: DIAPHANES 2014
ISBN: 3-03-734324-9 (3037343249)
Neue ISBN: 978-3-03-734324-1 (9783037343241)

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1974 verfilmten Jean-Marie Straub und Danièle Huillet die Oper Moses und Aron, an der Arnold Schoenberg in den dreißiger Jahren im Exil gearbeitet hatte, zur selben Zeit, wie der ebenfalls exilierte Sigmund Freud an seinem großen Moses-Buch schrieb. Fragen von Gesetzlichkeit und Gewalt, Kunst und Revolte, Geschichtlichkeit und Gedächtnis sind im Moses-Komplex aufgeworfen. Der Moses-Komplex zeigt, wie kulturelles Gedächtnis Gewalt konserviert. Er verhandelt die Kunst der Migration und die Frage, wie Gemeinschaften entstehen vor dem Gesetz und welche Gewalt dabei im Spiel ist. Er bringt musikalische und filmische Verfahren, Bilder und Töne, Texte, Sprachen und Stimmen im Hinblick auf die Frage nach einer Begründung von Gesetzlichkeit zusammen. Insofern ist er ästhetisch und militärisch, epistemologisch und brutal. Psychoanalytisch ist der Moses-Komplex nur als überindividueller zu verstehen, der Geschichtlichkeit an der Wahrnehmung aufspringen lässt. Im Sinne von Freud und Derrida bezeichnet er ein Archiv deutscher Geschichte.
Neues Gesetz und neue Medien tauchen, seit Moses die Tafeln vom Sinai brachte, immer zugleich auf. Verbunden damit ist die Mission, ein Volk zu befreien: Exodus, Exil, Migration, Lager. Virulent daran ist die Frage nach dem Umgang mit Fremden und nach der Gewalt, die in Kulturtechniken konserviert bleiben soll, in Krisen jedoch stets wieder aufbricht.

1974 verfilmen Jean-Marie Straub und Danièle Huillet die Oper "Moses und Aron", an der Arnold Schoenberg auf dem Weg ins Exil seit den späten zwanziger Jahren gearbeitet hat. Film und Oper entwerfen ungerichtete Räume und fordern damit ein Sehen und Hören "vor dem Gesetz" heraus. Damit haben sie politischen Widerstand ins Musik- und ins Filmdenken des 20. Jahrhunderts gesetzt. Zugleich entwerfen sie so ein Modell für Kommunikationen kommender Gesellschaften.

Der Moses-Komplex ist eine Mediengeschichte des Fremden in der Wahrnehmung. Gegen Monotheismus und Bilderverbot setzen Schoenberg und Straub/Huillet das Projekt einer Moderne, das sich aus der Vervielfachung von Differenzen konstituiert. Sie fordern dazu auf, widerständige Formen von Räumen und Zeiten aus unvorgänglichen Unterscheidungen zu generieren, so wie aus dem Geräusch des Dornbusches eine Stimme erst gehört werden muss.
Holl, Ute
Ute Holl ist Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Basel. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Medienästhetik und Wahrnehmungstheorien, mediale Anthropologie und experimentelles Kino, sowie Kinosound und Elektroakustik. Sie ist Autorin mehrerer Bücher.