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Neuerscheinungen 2014

Stand: 2020-02-01
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Tino Hünger

Wut, Spaß und Tränen.


Von der Notwendigkeit sich selbst zu behaupten
2014. 208 S. 220 mm
Verlag/Jahr: MILITZKE 2014
ISBN: 3-86189-867-5 (3861898675)
Neue ISBN: 978-3-86189-867-2 (9783861898672)

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Werde, der du bist! (Pindar) - Wie geht das, wenn dich alle mit Macht umformen wollen?

Was passiert, wenn ein 13-Jähriger eine existenzielle Frage stellt?
Was lösen die schäbigen Reaktionen eines politisch überholten Systems aus?
Wie viel Wut, Spaß und Tränen brauchst du, um zu werden, der du bist?

Autobiografisch angelehnte Episoden, authentisch und hautnah aus der Perspektive eines Heranwachsenden geschrieben, führen uns zurück in die DDR und das wiedervereinte Deutschland der Jahre 1986 bis 1991.
Zwischen der Katastrophe von Tschernobyl, Mauerfall und neuer Weltordnung erleben wir Zeitgeschichte, in ungeschönter Form.
Die heile Welt sieht anders aus.
Alter Ego Sog Rissbildung im Reaktor Je größer das Holzlineal desto kleiner der Held Tief in der Grütze Der große Tag der Abrechnung Übergangsrituale Türen öffnen Frühlingsgefühle Music makes the people come together Mit wehenden Fahnen, wenn wir untergehen Ihre Schläge haben nur das Feuer geschürt Blutsauger und Waffenbrüder Wenn du gern marschieren tust Die Toleranz der sozialistischen Bruderstaaten Unser Zeichen ist die Sonne The summer of 89 Ein Stück in drei Akten Arbeit macht das Leben süß Streifenwagen, Adrenalin und Südfrüchte Anarchie ist machbar, Herr und Frau Nachbar Die Rechnung bitte Too fast to live, too young to die Nachwort
Da waren seltsame Bilder im Fernsehen, sie zeigten sowjetische Soldaten mit Bleischürzen, die einen ausgebrannten Atomreaktor nach den Löscharbeiten zur Versiegelung mit Beton ausgossen. Und weitere Bilder von Soldaten, die mit Hacke und Schaufel versuchten die radioaktive Strahlung zu bekämpfen. Aus meiner Sicht wirkte das völlig absurd und seltsam verzweifelt. Ich wusste nicht, ob so was funktionieren kann. Meine offensichtlich viel zu begrenzte Vorstellungskraft zog diese Möglichkeit einfach nicht in Betracht.
Ich war gerade dreizehn Jahre alt und in höchstem Maße verunsichert, ich konnte mir gar nicht vorstellen, was da wirklich passiert war, nur die fast schon panische Angst war greifbar.
Ich war komplett durcheinander. Meine Freunde und ich zogen es vor, die Angst zu verdrängen und uns auf die alltäglichen Dinge zu konzentrieren. Damit waren nicht so sehr Schule und Hausaufgaben gemeint, eher Fahrradfahren und Angeln. Diese Art von Flucht vor der Realität funktionierte für eine Weile ganz gut.
Bis zu diesem einen Abend in den folgenden Sommerferien, als ich mit Henry beim Nachtangeln saß. Wir freuten uns darüber, in der Abenddämmerung mehrere Rehe dabei zu beobachten, wie sie, vorsichtig ihre Umgebung prüfend, aus dem Wald auf das Feld hinaus schritten, um dort die feuchten jungen Pflanzen zu verzehren. Es war ein faszinierender Anblick, der Ruhe und Frieden ausstrahlte. Vielleicht eine Stunde zuvor hatte ich meinen bis dahin größten Hecht gefangen, neunundachtzig Zentimeter lang und locker drei bis vier Kilo schwer, ganz ohne Übertreibung, das war ein Mordsvieh. Die Welt war an diesem Tag auf merkwürdige Art und Weise in Ordnung gewesen und ich genoss das Leben bis in die Haarspitzen, die Natur, die unbeschwerte Ferienstimmung, alles. Du Trap, denkst du, wir werden alle draufgehen, wir Menschen und die Tiere und alles? Glaubst du, dass wir bereits verstrahlt sind, wegen Tschernobyl und dem ganzen Wahnsinn? , riss Henry mich aus meinen Träumen. Mann, wie kommst du denn jetzt auf so was? Glaubst du es oder glaubst du es nicht? Werden wir langsam und qualvoll verrecken oder nicht? Scheiße Henry, du machst mir Angst! Woher soll ich denn das wissen?
Warum es gerade an diesem Tag in diesem an sich unbeschwerten Moment geschah, habe ich nie so recht verstanden. Jedenfalls wurde uns langsam immer klarer, dass wir mitten auf dem Vulkan saßen, ohne je gefragt zu werden. Dass wir sterben könnten, ohne je unseren Unmut mitgeteilt zu haben. Dass wir etwas tun mussten, egal was.