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Stand: 2020-02-01
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Wolfgang Spindler

Die Politische Theologie Carl Schmitts: Kontext Interpretation Kritik


Erstauflage. 2014. 150 S. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2014
ISBN: 3-9542588-4-6 (3954258846)
Neue ISBN: 978-3-9542588-4-0 (9783954258840)

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Carl Schmitt (1888 1985) gehört zu den international meistgelesenen Staatsrechtlern und politischen Theoretikern des 20. Jahrhunderts. In der bis heute anhaltenden Rezeption seines Werks spielt der von ihm geprägte Begriff und das gleichnamige Werk Politische Theologie (1922) eine zentrale Rolle. Die vorliegende Studie unternimmt den Versuch, Schmitts Intentionen im Interesse eines produktiven Zugangs zu seinem Werk freizulegen. Nach der kontextorientierten Herausarbeitung des Begriffs und der Grundzüge der Politischen Theologie werden die im Laufe der Jahrzehnte entstandenen Lesarten systematisch vorgestellt und kritisch gewürdigt. Autoren der Weimarer Republik wie etwa Hugo Ball finden ebenso Berücksichtigung wie führende Staatsphilosophen unserer Zeit (z. B. Ernst-Wolfgang Böckenförde). Die Arbeit mündet in die Frage nach der (fundamental-)theologischen Relevanz der Politischen Theologie. Es wird deutlich: Theologie kann politisch niemals unschuldig sein.
Textprobe:
Kapitel A; IV, Die politische Theologie der Gegenrevolution:
Das vierte Kapitel der Politischen Theologie widmet sich den Hauptvertretern des von Schmitt beschriebenen Dezisionismus. Neben Donoso Cortés behandelt der Autor die Gegenrevolutionäre de Maistre und de Bonald, aber auch Friedrich Julius (eigentlich: Julius Jolson) Stahl und stellt diese den politischen Theologen des Antitheologischen , Proudhon, Bakunin, P. A. Kropotkin und O. Groß, entgegen. Wie schon in seinem Buch Politische Romantik von 1919 setzt er die Theoretiker der Gegenrevolution von Novalis, Adam Müller, Schelling und anderen deutschen Romantikern ab, deren staatsphilosophische Übereinstimmung mit liberalen Kräften darin besteht, politische Gegensätze im ewige(n) Gespräch aufzuheben anstatt sie zu einer definitiven Entscheidung zu führen.
Nach Schmitts Darstellung bedeutet für de Bonald, den Begründer des Traditionalismus, Tradition die einzige Möglichkeit, den Inhalt zu gewinnen, den der metaphysische Glaube des Menschen akzeptieren kann, weil der Verstand des Einzelnen zu schwach und elend ist, um von sich aus die Wahrheit zu erkennen. Sein Bild von der Menschheit, das als eine Herde von Blinden von einem sich an einem Stock weitertastenden Blinden durch die Geschichte geführt wird, steht im denkbar größten Kontrast zum einem auf Synthese vertrauenden Geschichtsglauben nach der Art Schellings, Müllers oder Hegels. Bei seinen Antithesen und Distinktionen handelt es sich um moralische Disjunktionen , um Gegensätze von Gut und Böse, Gott und Teufel , nicht um bloße Polaritäten .
De Maistre spitzt die Souveränität ganz auf Entscheidung zu. Die Bedeutung des Staates liegt darin, daß er analog zur Kirche eine Entscheidung trifft, deren Verbindlichkeit der päpstlichen Infallibilität gleichkommt; Infallibilität und Souveränität sind parfaitement synonymes . Das wichtigste an jeder Regierung ist, daß sie überhaupt existiert; denn bereits die schiere Existenz verdankt sich einer Entscheidung, und diese ist schon deshalb wertvoll , weil es gerade in den wichtigsten Dingen wichtiger ist, daß entschieden werde, als wie entscheiden wird ; Hauptsache, die Entscheidung ist inappellabel.
Im Vergleich zu de Maistre erkennt Schmitt in der gegenrevolutionären Staatsphilosophie Donosos nochmals eine radikale Steigerung , die dem tiefergehenden Radikalismus der proletarischen Revolution von 1848 gegenüber der des dritten Standes von 1789 entspricht. Schmitt beschreibt sie als eine Entwicklung von der Legitimität zur Diktatur. Erkennbar wird die Radikalisierung an der entschiedeneren Stellung zur Natur des Menschen, die jeder politischen Idee notwendig innewohnt. Jede politische Idee setzt voraus, daß er (= der Mensch; W. Sp.) entweder, von Natur gut oder, von Natur böse ist. Mit pädagogischen oder ökonomischen Erklärungen kann man der Frage nur scheinbar ausweichen. Gilt der Mensch in der Sicht der Aufklärung als von Natur dumm und roh, aber erziehbar , ist er für die bewußt atheistischen Anarchisten entschieden gut und alles Böse die Folge theologischen Denkens und seiner Derivate, zu denen alle Vorstellungen von Autorität, Staat und Obrigkeit gehören .
Schmitt versucht hier, seine These von der Säkularisierung auch von der politischen Anthropologie des Anarchismus her zu erhellen. Donoso Cortés vertritt genau das Gegenteil. Bei ihm ist das katholische Dogma von der Erbsünde über die tridentinische Formulierung hinaus polemisch radikalisiert , der Mensch daher von Natur aus böse und nichtswürdig. Diese Auffassung unterscheidet sich nach Schmitts Urteil von der lutherischen nur noch dadurch, dass sich der Lutheraner jeder Obrigkeit beugt , während der Spanier die selbstbewußte Größe eines geistigen Nachfahren von Großinquisitoren behält. Zu dieser pessimistischen Anthropologie gelangt Cortés durch eine religiöse und politische Entscheidung von ungeheurer Aktualität , die gezielt gegen das atheistisc