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Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
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Julia Strassburg

Konsequent ambivalent


15 Frauen mit Borderline erzählen
2016. 272 S. 209 mm
Verlag/Jahr: SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF 2016
ISBN: 3-86265-596-2 (3862655962)
Neue ISBN: 978-3-86265-596-0 (9783862655960)

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Was sind eigentlich Borderliner? Man hört so vieles, aber weiß so wenig. Energievampire? Die ritzen alle? Wirklich alle? Aber wieso eigentlich? In diesem Buch geht es nicht darum, wissenschaftlich nach dem Warum zu suchen. Von Experten werden Betroffene hier keine Tipps und Tricks bekommen. Es geht auch nicht darum, Angehörigen und Freunden Betroffener eine tröstende Hand auf die Schulter zu legen.

Hier kommen Frauen zu Wort, die an der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Wir treffen auf Spiegelwesen, Einzelgänger, Chamäleons, Supergirls, Mütter, heilige Huren, Künstlerinnen, Ehefrauen, Trauerweiden und Mädchen. Sie sprechen über Zerrissenheit und Einklang, Empathie und Triggermomente, über Kontroversen, Verlangen und Abscheu, Angst, Dissoziation, Nähe und Distanz. Und sie sprechen über Therapieansätze. So entführen sie uns auf eine Reise in ihre Kindheit, zu ihren dunkelsten Orten oder einem prägenden Erlebnis. In jedem Fall nehmen sie uns mit.
In Deutschland leiden mehr als 1,6 Millionen Menschen unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Es scheint, als biete unsere Gesellschaft einen guten Nährboden für diese Störung. Ursache ist meist eine Folge von traumatischen Erlebnissen, weit hinein in die Kindheit. Seelischer oder körperlicher Missbrauch, Leistungsdruck, emotionale Vernachlässigung, unstete Familiensituationen und das Fehlen wichtiger Grundwerte spielen eine große Rolle. Eine der Folgen sind Gefühle der eigenen Wertlosigkeit, die Betroffene bis ins Erwachsenenleben begleiten und durch individuelle Erlebnisse getriggert werden können.

Auch typisch sind dissoziative Zustände, in denen das Bewusstsein nicht mehr fähig ist, Erlebnisse mit entsprechenden Gefühlen zu verknüpfen. Viele beschreiben diesen Zustand als einen Verlust der eigenen Identität. Man ist sich selbst fremd. Dies kann wie aus dem Nichts oder bei subjektiv wahrgenommener Bedrohung einsetzen. Betroffene empfinden solche Momente als sehr belastend. Daraus resultiert oft das ebenso typische selbstverletzende Verhalten. Ritzen ist eine der gängigsten Methoden. Aber auch selbstschädigendes Verhalten kann eine Rolle spielen, wie etwa Kaufsucht, Essstörungen oder unverbindlicher Sex.
Ich hatte das Bedürfnis, mich auf eine intensivere Weise wahrzunehmen. Unter all der Fassade, wie ich zu sein hatte, um auf dieser Welt zu bestehen, musste es noch etwas anderes geben. Es war makaber, aber es war vor allem ein Versuch, mich selbst zu begreifen und in all meinen Schichten zu erfassen. Deshalb waren es auch nicht die Arme, die ich mir aufschnitt. Tatsächlich habe ich angefangen, im Brust- und Bauchbereich meine Haut zu öffnen. Zu Beginn habe ich nicht sehr tief geschnitten, weil der Respekt vor dem, was da kommen würde, zu groß war. Das Bedürfnis danach war stark, und dennoch gab es eine natürliche Barriere. Irgendwann gehörte es einfach dazu, wurde zum rettenden Mechanismus, um schnell aus diffusen Gefühlszuständen herauszufinden. Durch das Ritualisieren verlor ich meine anfängliche Barriere. Teilweise spürte ich die Schnitte kaum noch. Deshalb schnitt ich tiefer und tiefer. Nie so tief, dass ich meine Organe entdeckt hätte, aber tief genug, um in der Notaufnahme zu landen.

Lecia, 26, Studentin der Sozialwissenschaften, Schwerpunkt Gesundheitsökonomie, und Shibari-Künstlerin aus Münster