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Levke Leiß, Jan J. Slauerhoff, Albert V. Thelen (Beteiligte)

Das verbotene Reich


Mitarbeit: Leiß, Levke; Übersetzung: Thelen, Albert V.
2016. 220 S. 205 mm
Verlag/Jahr: WEIDLE VERLAG 2016
ISBN: 3-938803-78-9 (3938803789)
Neue ISBN: 978-3-938803-78-3 (9783938803783)

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JAN JACOB SLAUERHOFF (1898-1936) war "einer der großen Reisenden der niederländischen Literatur", wie Cees Nooteboom schreibt. HET VERBODEN RIJK erschien 1932 in den Niederlanden und ist dort ein Klassiker. Slauerhoff arbeitete u. a. als Schiffsarzt der Java-China-Japan-Linie und verfaßte Erzählungen, Gedichte und Romane. Albert Vigoleis Thelen (1903-1989), der Autor von DIE INSEL DES ZWEITEN GESICHTS, übersetzte DAS VERBOTENE REICH in den 1930er Jahren ins Deutsche. 1986 erst erschien diese Übersetzung bei Klett-Cotta; inzwischen ist sie lange vergriffen. Daher, und weil unser verlegerisches Herz auch für Albert Vigoleis Thelen schlägt, dem wir verschiedene Publikationen gewidmet haben, machen wir die großartige Übersetzung dieses rätsel- und meisterhaften Romans jetzt wieder zugänglich.

Hauptfigur des Romans ist der portugiesische Dichter Luís de Camäes (1524-1580), der Schöpfer des portugiesischen Nationalepos DIE LUSIADEN. Er wird als großer Suchender gezeigt, als Abenteurer und Liebeskranker, der mit seinem Vater bricht und sich nach Macao einschifft, damals portugiesische Kolonie. Auf Befehl des Königs muß er als Gefangener reisen und soll nach seiner Ankunft als Soldat dienen. In Macao untergetaucht, begegnet Camäes der jungen Pilar, die er, geschwächt und verwirrt durch seine abenteuerliche Flucht, für seine geliebte Diana hält. Er mußte sie verlassen, weil der Sohn des Königs ein Auge auf sie geworfen hatte. Und dann gibt es 400 Jahre später einen irischen Funker, der durch Schiffbruch völlig aus der Bahn geworfen wird, sich verliert und glaubt, mit einem schreibenden Mann in jahrhundertealten Kleidern zu verschmelzen ...

"Ein Heimwehbuch eines aufgejagten Dichters voller Weltschmerz, Weltverachtung und Mysterium" nennt Thelen den sprachgewaltigen Roman, dessen geheimnisvollem Sog man sich nicht entziehen kann.
Es ist wahr, ich hatte noch nie meinen Mund aufgetan (ausgenommen wenn ich gähnte oder auf die Fragen antwortete, die sie mir stellte), und doch waren ihre großen grünen Augen häufig auf mich gerichtet. Ich bewunderte sie aus der Ferne - schön war sie, eine wahre Fürstin - und verabscheute die reimelnden Schmeichler, die sich um sie scharten. Nun wollte ich mich ihr nähern, mußte die Mode mitmachen, raffte meine ganze Kenntnis im Dichten zusammen, die ich mir mit der Zeit auf dem abgelegenen Landgute meines Vaters angeeignet hatte, wo Lesen, Schreiben und Jagen die einzigen Ausspannungen waren, und machte ein Sonett und einige Ringelreime.
Damit begab ich mich an jenem Donnerstagnachmittag, der auf den abschlägigen Bescheid des Königs folgte, nach Santa Clara.
Die Mitteilung, daß auch ich Verse vortragen würde, erregte Aufsehen. Mit spöttelnder Hast machten die Schmeichler, die sie umstanden, nach beiden Seiten Platz, aber Diana blieb ernst und heftete ihre Augen auf mich. Ich tat, als ob ich zu ihr allein spräche, in der Stille hörte ich nicht einmal meine eigene Stimme. An ihren Augen sah ich, was geschah: Sie bewunderte das Sonett, war aber betroffen durch die freimütige Hast und unverschämte Bewegtheit der Redondilhas, so trefflich war mein Gefühl darin zum Ausdruck gebracht, allen anderen außer ihr verborgen. Die anderen murmelten Beifall wider Fug und Willen, nur sie sprach nicht; aber eine Stunde später ging sie mit mir lustwandeln im Hof von Santa Clara. Der Mond schien schmal und hell, doch das Licht des Tages hing noch unter dem Blattwerk der Laubengänge. Ihre Augen waren licht, milde wie der Mond, ihre Nähe wie die Sonne, ihr Busen das Sanfteste und das Erhabenste.
Nie seit der Berührung mit meiner Minne hatte ich so die Gegenwart des Fraulichen empfunden. Ich dachte nicht mehr an Mythologie, wenn ich auch etwas von Endymion und Diana sagte, nicht mehr an ihren hohen und meinen niedrigen Adelsstand.
Wir waren wie die ersten Geschöpfe im wiedergewonnenen Wundergarten, trotzdem wir ruhig und lobesam nebeneinander gingen, denn vom Fenster, das wußten wir wohl, stierte die eifersüchtige Welt auf uns herab; eine Stunde lang waren wir: Luiz, Diana.
Und wegen dieser einen Stunde ...
Nein, die Kette meiner Mißgeschicke begann nach dieser Stunde, keineswegs war sie die Folge davon. Sie begann bei meiner Geburt. Denn meine erste Stunde auf Erden stand unter den bösartigsten Sternbildern in überirdischer Konstellation; nicht eine einzige gute Fee fand sich ein, mein Los zu lindern. Und diese Liebe war auch noch da, mir ihre Mühsal aufzubürden.