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Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
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Petra Mader

Spurrillen


Ein Jena-Krimi
2016. 146 S. 196 mm
Verlag/Jahr: BUSSERT & STADELER 2016
ISBN: 3-942115-37-9 (3942115379)
Neue ISBN: 978-3-942115-37-7 (9783942115377)

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Eine junge Frau liegt tot in ihrer Wohnung in Jena-Winzerla. Kriminalhauptkommissar Lutz Keller begibt sich mit seinem Team auf Spurensuche.
Träume, Erinnerungen, Taten - wie Spurrillen, aus denen man sich nur schwer befreien kann, gräbt sich Vergangenes in die Gegenwart und bestimmt das Handeln der Akteure in diesem Kriminalroman.
März 2011

Der Winter war ihm lieber gewesen. Da hatte er sehen können, wie sie aufstand. Viertel nach sieben meist war das Licht in ihrer Wohnung angegangen. Bevor er bis zehn zählen konnte, hatte sich ihr schmaler Schatten hinter der Gardine aufgerichtet. Sie stand mit beiden Beinen zugleich auf, schwang die Unterschenkel über den Rand des Bettes, setzte sich und stellte beide Füße gleichzeitig auf den hellgrauen PVC-Belag. Sekunden später schon hantierte sie an der kleinen Küchenzeile und stellte den Wasserkocher an, bevor sie im Bad verschwand.
Jetzt muss er länger auf sie warten. Viertel vor acht zieht sie die Gardine zurück und öffnet das Fenster zum Lüften. Wie fast jeden Morgen springt ein kleiner, orange-braun getigerter Kater hinauf aufs Fensterbrett. Nachts streunt er um die Häuser, früh morgens lauert er auf eine Chance, ins Haus zu schlüpfen. Danach wartet er vor ihrer Tür, dass sie ihn hereinlässt. Manchmal bringt er ihr eine tote Maus.
Die Frau aus dem ersten Stock links verlässt das Haus. Das Mädchen an ihrer Hand trägt ein rosafarbenes Röckchen über den Jeans mit ausgestellten Hosenbeinen. In fünf Minuten werden Mutter und Tochter sich am Fußgängerüberweg zur Straßenbahnhaltestelle noch einmal umarmen, bevor sich ihre Wege trennen.
Zwanzig nach acht schließt sie das Fenster und zieht die Gardine zu. Kurz darauf kommt sie aus der Haustür. Sie trägt einen dieser weiten bunten Röcke, die er so gerne an ihr sieht. Auf dem Zugangsweg zum Haus kommt ihr der Kerl aus dem vierten Stock rechts mit seinem Pit Bull entgegen.
Um den Leib trägt er wie immer eine Gürteltasche mit Schlüssel, Feuerzeug, Zigarettenpapier und Tabak. Sie grüßt ihn. Neulich war er vor ihr stehen geblieben, offensichtlich aufgebracht, aber sie hatte geduldig gelächelt und genickt. Jetzt wendet er den Kopf ab und geht grußlos an ihr vorbei. Wie immer wirft er, bevor er das Haus betritt, einen Zigarettenstummel in die noch kahle Buchenhecke des Vorgartens. Keine Viertelstunde später wird sich oben die Balkontür öffnen und der Kerl wird sich rauchend gegen die Balkonbrüstung lehnen oder in einen der angegrauten Plastesessel setzen.
Er stellt das Fernglas auf die Fensterbank und bückt sich nach seinen bereitgestellten Schuhen. Am Nachmittag, selten erst am Abend, wird sie zurückkommen. Kurz vor zehn kocht sie noch einmal Tee, steht danach noch einmal an der Küchenzeile, nimmt den Wasserkocher hoch, schüttelt ihn prüfend, füllt Wasser nach für den nächsten Morgen. Wenn sie das Licht löscht, ist auch sein Tag zu Ende. Halb neun. Wieder einmal ist er spät dran. Sein Rucksack steht an der Tür bereit, sein Alltagsrad auf halber Treppe.
Rechts über seinem Rücken streben die grünen Rohre der Fernwärmetrasse der Innenstadt entgegen. "Adern von Jena", hießen sie seit ein paar Jahren und wurden "exponiert statt versteckt" und "inszeniert statt getarnt". An einer Stelle hatte man sie sogar goldfarben lackiert. Er findet das affig. Heute jedoch nimmt er die Rohre nicht einmal wahr. Noch acht Minuten!