buchspektrum Internet-Buchhandlung

Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
Schnellsuche
ISBN/Stichwort/Autor
Herderstraße 10
10625 Berlin
Tel.: 030 315 714 16
Fax 030 315 714 14
info@buchspektrum.de

Michael Rabo

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer


Die wahre Geschichte einer Flucht
2016. 346 S. 21 cm
Verlag/Jahr: KINZEL 2016
ISBN: 3-9554405-5-9 (3955440559)
Neue ISBN: 978-3-9554405-5-8 (9783955440558)

Preis und Lieferzeit: Bitte klicken


Oktober 1990. Todesangst - Flucht - Vertreibung.
Aufgrund religiös-politischer Verfolgung an den christlichen Aramäern ist das aramäische Ehepaar - Edessa und Aram - gezwungen, die geliebte Urheimat im Tur Abdin / Südosttürkei zu verlassen und die Flucht nach Deutschland anzutreten. Da die Geburt des ersten Kindes immer näher rückt, rast ihnen zwischen Angst und Hoffnung die Zeit davon. Auf ihrem Fluchtweg stoßen sie auf gefährliche Hürden, die ein friedliches Ende der Flucht in die weite Ferne rücken lassen. Werden sie es sicher und geborgen nach Deutschland schaffen?
´Kapitel 1

Der erste Oktobertag des Jahres 1990.

Die Klosterglocke des Dorfes läutete und stimmte zum täglichen Morgengebet ein. Es handelte sich um keine geringere Glocke als die des Mutter-Gottes-Klosters in Hah, eines christlich-aramäischen Dorfes im historischen Nordmesopotamien, im tiefen Südosten der heutigen Türkei. Eine geschichtsträchtige Region, die auch unter der aramäischen Bezeichnung "Tur Abdin", der Berg der Diener Gottes, an Bedeutung gewann und zahlreiche schöne Städte und Dörfer beherbergte. Eines dieser Dörfer war Hah. Von der Herrlichkeit der farbenfrohen Landschaft über die einsamen, sich kilometerweit erstreckenden Ruinenfelder in der Umgebung des Dorfes bis hin zu den herausragenden Zeugnissen einer einzigartigen Kulturgeschichte.
Das malerisch und landwirtschaftlich gekennzeichnete Dorf wurde fast ausschließlich von Aramäern bewohnt, die der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien angehörten. Die aramäischen Christen bildeten nur noch eine Minderheit im Tur Abdin, der einst christlich geprägt war und zunehmend Bedrohungen fundamentalistisch-islamistischer Extremisten unterlag.

Das Glockengeläut ertönte an jenem Morgen außergewöhnlich lange. Die glühende Sonne wurde am östlichen Horizont sichtbar, ging über Hah auf und strahlte vom tiefblauen Himmel über die weiten, fruchtbringenden Felder. Der Tagesanbruch war von einer traurigen Stimmung geprägt, denn es war wieder ein Tag, an dem das Dorf Abschied nahm.´Edessa, ist alles in Ordnung?´, fragte Aram, der mit langsamen Schritten das Wohnzimmer betrat und seinem Gesichtsausdruck zufolge wusste, dass das Gegenteil der Fall war.
Edessa, bildschön wie aus einem Märchen, reagierte nicht. Sie saß lediglich auf dem Lehnstuhl im Wohnzimmer, hielt ein kleines Bild in ihren Händen und blickte es mit ihren tiefen, hellbraunen Augen an. Es war kein unbedeutendes Bild. Nein. Das Bild erzählte eine besondere Geschichte. Es handelte sich um ein Familienfoto, welches an jenem Tag geschossen worden war, an dem sich Edessa und Aram das Ja-Wort gegeben hatten. Sie strich mit ihren Fingern über die glatte Oberfläche des Bildes und wischte sich anschließend die Tränen aus dem Gesicht.
Aram näherte sich ihr schweren Schrittes, kniete vor ihr nieder und versprach flüsternd: ´Alles wird gut. Wir schaffen das.´ Vorsichtig und zugleich liebevoll nahm er ihre Hand und fügte ergänzend bei: ´Wir drei schaffen das.´Edessa war nämlich hochschwanger. Sie befand sich kurz vor dem achten Schwangerschaftsmonat. Diesem Kind wollten sie die bestmögliche Zukunft bieten, in der man keiner Verfolgung und Repressalie ausgesetzt sein sollte, was im Tur Abdin unmöglich war.
In den letzten Jahren wurden mehr und mehr Christen unterdrückt. Angst, Panik und Unsicherheit prägten den Alltag der Christen. In den Augen eines radikalen Muslims galt ein Christ als "Ungläubiger". Man war nicht willkommen, zumindest nicht bei den Muslimen, die die Region ethnisch zu säubern vermochten. Allerdings setzten die Christen die friedlichen Muslime, die den Christen nichts Böses tun wollten, nicht mit den Muslimen, die eine radikale Ausprägung ihres Glaubens lebten, gleich.
Die Völkermorde an den Aramäern, Armeniern, Griechen und anderen Minderheiten im Jahre 1915 waren der mit Blut bezahlte Beweis dafür, dass man unerwünscht war. Unerwünscht in einer Region, in der die Aramäer noch vor hundertfünfzig Jahren die Mehrheit der gesamten dort lebenden Bevölkerung dargestellt hatten. Bis zu fünfhunderttausend Aramäer waren dem Genozid von 1915 zum Opfer gefallen. Im Schatten des ersten Weltkriegs hatten sie den Tod im damaligen Osmanischen Reich erlitten, dessen Volk auf brutalste Art und Weise dezimiert worden war. Fast die Hälfte der syrisch-orthodoxen Aramäer wurde bei diesem Genozid ausgelöscht. Auch bekannt als ´Sayfo´, der Völkermord an den Aramäern. Ein Begriff, der den Genozid an den Aramäern vor dem geistige