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Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
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Sebastian Abendroth

Kulturtransfer aus den USA nach Russland. Amerikanische Codes of Conduct in russischen Unternehmen


2016. 68 S. 7 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2016
ISBN: 3-9593497-9-3 (3959349793)
Neue ISBN: 978-3-9593497-9-6 (9783959349796)

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Im Zuge des WTO-Beitritts Russlands im August 2012 bekennen sich russische Wirtschaftsakteure zunehmend zu international akzeptierten Unternehmensführungspraktiken, die in Russland bis dato eigentlich nicht geläufig waren. Hierzu zählt u.a. der Verhaltenskodex bzw. Code of Conduct, welcher aus dem amerikanischen kulturellen Kontext stammt und in den russischen kulturellen Kontext transferiert wurde.
Passten die russischen Unternehmen die Praktik Verhaltenskodex nach dem Transfer an ihren kulturellen und institutionellen Kontext an oder kopierten sie lediglich die amerikanische Praktik? Mithilfe von empirischen und kulturtheoretischen Techniken wird diese Frage umfänglich untersucht und beantwortet.
´Textprobe:
Kapitel 3.5, Kulturelle Grundannahmen zu wertefundierten Managementpraktiken in den USA und Russland:
Wie bereits gezeigt wurde, sind es die kulturellen Grundannahmen, die den Transfer von Artefakten beeinflussen. Um die Grundannahmen zu differenzieren, haben Forscher wie Schein (2004) oder Trompenaars & Hampden-Turner (2012) sie in mehrere Dimensionen unterteilt, welche sich je nach Modell überschneiden. Laut Palazzo (2002, 198f) eignen sich die Dimensionen von Edgar Schein besonders gut, um die Entstehung wertefundierter Verhaltenskodizes nachzuvollziehen und die Anschlussfähigkeit der Artefakte in anderen kulturellen Kontexten zu überprüfen. Sie gehen auf den Soziologen Talcott Parsons (1952, 180ff) und die Anthropologen Kluckhohn & Strodtbeck (1973, 11ff) zurück und ermöglichen differenzierte Aussagen zu Bereichen, die sich explizit und implizit in den Verhaltenskodizes wiederfinden. Die einzelnen Dimensionen geben kulturspezifische Antworten auf universelle Probleme des menschlichen Daseins. Sie umfassen (1) die Beziehung des Menschen zu anderen Menschen, (2) die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt, (3) die Aktivitätsorientierung, (4) das Wesen der menschlichen Natur und (5) die Definition von Realität und Wahrheit (Schein 2004, 138). In Anlehnung an Palazzo (2002, 199) wird diesen Grundannahmen die konstruierte Dimension (6) Verhältnis von Religion, Staat und Wirtschaft vorangestellt, da sie gängige Interpretationsmuster für ethisch-moralische Problemstellungen bereithält.
Natürlich birgt die pauschale Charakterisierung von Kulturen immer die Gefahr der Stereotypisierung. Trompenaars & Hampden-Turner (2012, 33f) weisen darauf hin, dass der Vergleich von Kulturen zum einen nur in Relation möglich ist und zum anderen lediglich Tendenzen abbildet, bei denen es auf individueller Ebene viele Ausnahmen gibt. Aussagen zu kulturellen Grundannahmen in Russland und den USA sind schwierig zu treffen, da beide Länder durch ihre Größe und Bevölkerungsstruktur eine enorme kulturelle Vielfalt besitzen. Ungeachtet dieser Unterschiede konnten vorangegangene Arbeiten dennoch stabile wiederkehrende Muster in Verhalten und Weltanschauung von Russen und US-Amerikanern offenlegen. Sie sollen nun überblicksartig aufgeführt werden.
3.5.1, Verhältnis von Religion, Staat und Wirtschaft:
Inwieweit ethisches Handeln und wirtschaftliche Aktivitäten miteinander vereinbar sind, spielt eine wichtige Rolle für das Verständnis von wertefundierten Verhaltenskodizes. Laut Palazzo (2002, 200) herrscht in der US-amerikanischen Gesellschaft eine ausgesprochen positive Beziehung zwischen Ethik und geschäftlichen Erfolg, die u.a. auf den Einfluss der religiösen Reformbewegung der Puritaner zurückgeht. Das puritanische Arbeitsethos besagt, dass sich die Gnade Gottes im weltlichen Erfolg widerspiegelt. Da laut calvinistischer Lehre wohlhabende Menschen ihren Reichtum erhalten haben, um Gottes Werk auf Erden zu vollenden, werden an ihr Verhalten hohe ethische Maßstäbe angelegt (vgl. Palazzo 2002, 200). Gleiches gilt für US-amerikanische Unternehmen, die trotz wiederkehrender Wirtschaftsskandale zu ethischen Akteuren gemacht werden. Unterstrichen wird diese Einstellung durch den Utilitarismus, der im amerikanischen Verständnis davon ausgeht, dass die gesamte Gesellschaft davon profitiert, wenn jeder seine individuellen Interessen verfolgt und seinen persönlichen Wohlstand vermehrt (vgl. Palazzo 2002, 201; Barmeyer/Davoine 2011, 10; Beekun 2003, 1337). Der Staat hält sich mit direkten Eingriffen zurück, aber ermutigt wirtschaftliche Akteure durch Anreize, ihrer ethischen Verantwortung gerecht zu werden und Eigeninitiative zu ergreifen. Dass sie ihren Mitarbeitern Verhaltenskodizes auferlegen, deckt sich mit diesen amerikanischen Grundannahmen.
Laut Palazzo (2002, 201) ist auch die Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit in den USA nicht so ausgep