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Georges Anglade, Peter Trier (Beteiligte)

Und wenn Haiti den USA den Krieg erklärt? / Als Haiti Deutschland den Krieg erklärte (Fragment)


Übersetzung: Trier, Peter
2. Aufl. 2019. 120 S. 19 cm
Verlag/Jahr: LITRADUKT 2019
ISBN: 3-940435-33-3 (3940435333)
Neue ISBN: 978-3-940435-33-0 (9783940435330)

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Haiti, 29. März 2019. Am zehnten Tag des Irakkriegs wird eine großartige Idee geboren: Und wenn Haiti den USA den Krieg erklärt? Schließlich sind die Wiederaufbau- und Hilfsprogramme, die gleich nach den Bomben und Fallschirmjägern vom Himmel regnen werden, schon eine Landung der Marines wert. Allerdings muss ein Kriegsgrund her. Kein Problem für die Haitianer. Eine aberwitzige Intrige nimmt ihren Lauf. Zwölf Stunden tanzt die Welt nach der Pfeife des kleinen Karibikstaats ...
Georges Anglades Politsatire hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Die zweite Auflage ist erweitert um die fragmentarische Fortsetzung "Als Haiti Deutschland den Krieg erklärte". Was es zweimal getan hat, 1918 und 1941. "Bald wird am Himmel über Berlin die haitianische Lufwaffe ihre Bahnen ziehen", kommentierte Präsident Elie Lescot die zweite ...
"Und wenn Haiti den USA den Krieg erklärt?" Die Frage tauchte urplötzlich am zehnten Tag des Irakkriegs auf. Am 29. März 2003. Hervorgesprudelt wie ein schwarzer Spermastrahl aus den Eingeweiden einer Ölquelle unter hohem Druck. In Port-au-Prince war es die Frage der letzten Chance. Die zu Ende gehende Trockenzeit hatte alles sonnengelb gebrannt. Tiere und Pflanzen blicken starr zum Himmel in der Hoffnung auf ein Zeichen oder sonst irgendetwas von oben, seien es auch Bomben oder gar Fallschirmjäger. Eben irgendetwas, damit das Treten auf der Stelle aufhörte, von dem man wahnsinnig wird, wenn es sich ewig in die Länge zieht. Auch die Menschen hatten alles zu gewinnen und nichts zu verlieren, denn das letzte Mittel konnte nur vom Himmel kommen. Aber wählerisch sein kam nicht in Frage, man nimmt, was runterkommt, mitsamt den dazugehörigen Kollateralschäden. Irakkrieg ist Irakkrieg.
Allerdings teilte sich die Menschheit mit Fernsehzugang an diesem Tag in zwei Gruppen. Da war zunächst jene Gruppe, die sich nur für die am Morgen dieses zehnten Kriegstags verkündete Selbstverständlichkeit interessierte. Sie waren hingerissen oder betrübt, aber der als proper, präzise, punktuell und blitzschnell hingestellte Irakkrieg zog sich hin und würde sich weiter hinziehen (...)
Und dann war da die andere Gruppe vor denselben Bildschirmen, die nur Augen und Ohren für die ausgewogenen Ernährungsrationen des WEP, des Welternährungsprogramms, und für die arbeitsplatzträchtigen Wiederaufbauverträge hatte: endlich Arbeit für alle nach einem Leben in Arbeitslosigkeit (...) Und für all das brauchte man nur einen kleinen Krieg gegen reiche Bekehrungswütige wie die Amerikaner zu verlieren, denn es gibt nichts Schlimmeres, als einen Krieg gegen kleinliche und knausrige Nationen zu verlieren, wie es oft Völkern geschieht, denen das Glück nicht hold ist. Read on my lips. (...) Und wenn Ihnen als Gutmenschen, bevor Sie dies hier gelesen haben, noch nie in den Sinn gekommen ist, dass neunhundertneunundneunzig Tausendstel der Menschheit möglicherweise davon träumen, dass ihre Regierung einen beschissenen Krieg wie diesen verliert, um endlich ihren Kindern etwas zu essen gegen, sie auf die Schule schicken und ärztlich behandeln lassen zu können, um nicht mehr massakriert zu werden und nicht mehr unter entsetzlichen Qualen zu sterben - dann welcome hinter Ihrem Spiegel. Auf der Seite der Völker.
Die Ideen mit diesem Krieg, den Haiti den USA erklären würde, war also unter dem Stapel von all dem Zeug entsprungen, das sich in zehn Tagen aufgehäuft hatte. Und wie bei allen neuen Ideen, die in der Lage sind, grässlichen Hunger zu stillen, musste man sich beeilen, damit sie einem nicht gestohlen wurde. Der Wettbewerb könnte hart werden, so zahlreich waren die Kandidaten in verzweifelter Lage (...), denen nur ein Krieg made in USA Aussicht auf das Manna verleihen könnte, das gleich nach den Bomben vom Himmel fallen würde. Allerdings musste man dafür einen Krieg ermöglichen und ihn so verlieren, wie es sich gehört, nämlich jubelnd. So verlangt es dieser Sieger, der kein großes Talent für den Umgang mit den verletzten Seelen der Besiegten besitzt. Und dann würde es endlich zur Kasse gehen.