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Neuerscheinungen 2019

Stand: 2020-02-01
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Irene Albers, Hans-Jürgen Heinrichs, Michel Leiris, Tim Trzaskalik, Rolf Wintermeyer (Beteiligte)

Phantom Afrika


Illustrierte Ausgabe
Herausgegeben von Albers, Irene; Mitarbeit: Heinrichs, Hans-Jürgen; Übersetzung: Wintermeyer, Rolf; Trzaskalik, Tim
Durchgesehene und erweiterte Neuausgabe. 2019. 680 S.
Verlag/Jahr: MATTHES & SEITZ BERLIN 2019
ISBN: 3-9575777-8-0 (3957577780)
Neue ISBN: 978-3-9575777-8-8 (9783957577788)

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Durchgesehene und erweiterte Neuausgabe

Michel Leiris wird gerade wieder neu entdeckt: als Kronzeuge kolonialer Raubkunst. Tatsächlich wird man kaum einen Autor finden, der die fragwürdigen Praktiken bei der Aneignung von Objekten durch Ethnografen in Afrika - Rettung durch Raub - so freimütig aus der Täterperspektive schildert. Die Ethnologen haben ihn nach diesen Enthüllungen zuerst als unseriösen "Literaten" verunglimpft, um Phantom Afrika (1934) später zum Vorbild für eine experimentelle Ethnografie in der ersten Person zu erklären. Aus heutiger Sicht bietet das von Surrealismus und Psychoanalyse inspirierte Tagebuch des Sekretärs der legendären, staatlich finanzierten Forschungs- und Sammlungsreise von Dakar nach Djibouti (1931-1933), der ersten und größten dieser Art, vielleicht noch grundlegendere Einsichten in die Paradoxien der Feldforschung im kolonialen Zeitalter. Denn der Surrealist mit Tropenhelm ist vor allem eins: schonungslos. Genauso wie die Methoden der Wissenschaftler seziert er seine Widersprüche und Obsessionen, dokumentiert seine exotistischen und kolonialistischen Vorstellungen. Zum Antikolonialisten wurde Leiris erst durch diese Erfahrung. So wird der Leser Zeuge, wie ein weißer europäischer Mann, der sich in Afrika auf die Suche nach Grenzerfahrungen macht, am Ende vor allem seine inneren Dämonen kennenlernt - nicht die schlechteste Voraussetzung, um die Geister und die Poesie der "Anderen" zu erforschen.

In den 1980er Jahren Kultbuch der bundesrepublikanischen Ethnoboom-Generation, war die deutsche Übersetzung von L´Afrique fantôme seit Langem vergriffen. In dieser u. a. um Leiris´ Briefe an seine Frau erweiterten Neuausgabe wird das so singuläre wie epochale Zeugnis der Widersprüche des Kolonialismus zwischen Gier nach Besitz und Sehnsucht nach Besessenheit nun endlich wieder verfügbar.
Leiris, Michel
Michel Leiris wurde 1901 in Paris geboren. Er identifizierte sich in den 1920er Jahren mit der kulturellen und politischen Revolte der Surrealisten, zuerst in der Gruppe um André Breton, dann an der Seite von Georges Bataille. Nach seinem Studium der Ethnologie (1933-1938) arbeitete er bis 1971 im Musée de l´Homme. Reisen führten ihn auf die Antillen, nach China und nach Kuba. Als Autobiograph und Ethnograph, Dichter und Essayist begeisterte er sich für subversive Wortspiele, den Jazz, die Malerei, den Stierkampf wie für die Oper und war zudem ein früher Kritiker von Kolonialismus und Rassismus. 1950 erschien ¯Ethnographie und Kolonialismus®, die erste kritische Analyse der kolonialen Verstrickung des Faches. Nach Phantom Afrika (1934) spaltete er sein Werk, verfasste die ethnographischen (vor allem afrikanistischen) Arbeiten u.a. über die Geheimsprache der Dogon oder den äthiopischen zar-Besessenheitskult in seinem Büro im Souterrain des Musée de l´Homme und die au
tobiographischen und literarischen Schriften im Schlafzimmer seiner Wohnung. Beide Seiten seines Werks waren dennoch immer aufeinander bezogen. Bei Matthes & Seitz erschienen zwischen 1982 und 1999 die Übersetzungen der vier Bände von Die Spielregel (Streichungen, Krempel, Fibrillen und Wehlaut, dt. von Hans Therre), außerdem der surrealistische Roman Aurora (1979) und Der Spiegel der Tauromachie (1982). Michel Leiris starb 1990 in Paris, seine zentrale literarische Maxime lautete: ¯Keine schöne Lüge produzieren, sondern eine Wahrheit, die ebenso schön wäre wie die schönste Lüge.®

Wintermeyer, Rolf
Rolf Wintermeyer, 1948 geboren, lebt in Paris, Professor für Germanistik und Übersetzer u. a. von Michel Leiris´ Ethnologischen Schriften.

Albers, Irene
Irene Albers ist Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und für Romanische Philologie an der Freien Universität Berlin. 2018 erschien Der diskrete Charme der Anthropologie - Michel Leiris´ ethnologische Poe
tik bei Konstanz University Press.

Trzaskalik, Tim
Tim Trzaskalik, 1970 in Bonn geboren, ist Autor und Übersetzer u. a. der zweibändigen Korrespondenz Arthur Rimbauds. Bei Matthes & Seitz Berlin erschien sein Gedichtband Versurren sowie zahlreiche Übersetzung u. a. von Christophe Tarkos und Jean Fran‡ois Billeter.

Heinrichs, Hans Jürgen
Hans-Jürgen Heinrichs, 1945 in Wetzlar geboren, ist freier Schriftsteller und Ethnologe mit ausgedehnten Reisen in Afrika, im Vorderen Orient und Pazifik, lebte lange Zeit in Spanien, Amsterdam, Rom und Paris, und wohnt seit 2008 in Berlin. Er ist Autor eines breiten kulturtheoretischen Werks und hat zahlreiche Prosa- und Essaybände publiziert sowie Biografien (u.a. über Leiris, Bataille, Lévi- Strauss, Frobenius, Morgenthaler) und Gesprächsbände, u.a. mit Peter Sloterdijk, Georges-Arthur Goldschmidt, Gerhard Roth, und 2006 im Antje Kunstmann Verlag Schreiben ist das bessere Leben. Er ist auch Herausgeber vieler Werk-Editionen.